Monatsimpuls der Polizeiseelsorge
Baden-Württemberg

Juni 2023

 

Gelassenheit: Die eigenen Kräfte nicht sinnlos verschwenden

 

Sonnenaufgang

 

„Falls Ihr von mir einen Rat hören wollt: Regt Euch nicht auf über Vorgänge, die wir nicht ändern können. Jeder von uns kennt das: zu unserem Alltag und zu unserer hierarchischen Institution gehören jede Menge solcher Dinge, die wir einfach als gegeben akzeptieren müssen. Deshalb verschwendet Eure Kräfte bitte nicht an nicht änderbare Vorgänge. Sondern setzt Eure Kraft ganz gezielt dort ein, wo wir tatsächlich etwas bewegen und verändern können.
Mir persönlich hilft dabei seit meinen ersten Jahren bei der Polizei die Unterscheidung von Gelassenheit, Mut und Weisheit: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden“.
(DGL einer Schutzpolizeischicht; mit Bezug auf dieses Gebet von Reinhold Niebuhr, 1941)


Wenn Sie hier einen Moment innehalten wollen:
Fällt Ihnen spontan ein Erlebnis ein, zu dem passt „das hat mich geärgert; das hat mich echt aufgeregt“?

Falls ja: Würden Sie dieses Ereignis eher einordnen unter „von mir aktuell nicht beeinflussbar, nicht änderbar“? Oder eher unter „dieser Ball liegt in meinem eigenen Feld; es könnte sich lohnen, hier Kraft zu investieren“?


Zum Thema „die eigenen Kräfte nicht sinnlos verschwenden“:
„An einer strömungsreichen Stelle irgendwo am Meer fand ich ein Schild, das Schwimmer warnt und ihnen empfiehlt, für den Fall, dass die Strömung sie erfasst, sich nicht gegen den Sog zu wehren.
Die Strömung führe wieder zurück. Man solle seine Kräfte nicht sinnlos verbrauchen, sondern sich vom Wasser selbst zurücktragen lassen.
Wie muss ein Mensch beschaffen sein, der handeln kann, wie das Schild es rät? [.......]
Er müsste fähig sein, auf die Durchsetzung seines unmittelbaren Zieles, nämlich jetzt – sofort – ans Ufer zu kommen, zu verzichten. Er müsste warten und langfristig und geduldig denken können.
Er müsste zugeben können, dass er nicht zu allem fähig und nicht ständig Herr der Lage ist,
dass seine Kräfte gegen die Gewalt des Meeres lächerlich sind.
Er müsste also einen Glauben haben an den Zusammenhang des Ganzen,
eine geduldige Hoffnung auf einen guten Ausgang, trotz der augenblicklichen Gefahr,
und die Demut der richtigen Einschätzung seiner eigenen Kräfte“.

Fulbert Steffensky

Mein Vater hat in den 1970er Jahren an einem Strand in Israel diese Erfahrung gemacht:
Bis ans Limit seiner Kräfte hat er zunächst versucht, gegen die starke untere Wasserströmung anzuschwimmen, die ihn plötzlich aufs offene Meer hinausgezogen hat. Als er sich schließlich erschöpft bewegungslos auf die Wasseroberfläche gelegt hat, hat ihn die obere Strömung dann „ganz von alleine“ zurück an den Strand getragen.
Ihn hat diese existentielle Erfahrung ein Leben lang begleitet als „es gibt eine Zeit zu Kämpfen, und eine Zeit, das Kämpfen loszulassen, und darauf zu vertrauen, dass Gott gerade auch dann einen guten Plan für mich hat“.
Und als innere Leitlinie: „Ich will meine Kräfte nicht dort sinnlos verschwenden, wo sie nichts ausrichten“. Hier also ganz nahe an dem Rat des DGLs: „Verschwendet Eure Kräfte bitte nicht an nicht änderbare Vorgänge“.

Für heute wünsche ich Ihnen von Herzen etwas von dieser tiefen und befreienden „Gelassenheit für Dinge, die ich nicht ändern kann“, vom „Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann“ und von der „Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden“.

Und etwas von dem tiefen Grundvertrauen und Gottvertrauen: Auch wenn sich die Wogen des Alltags an manchen Tagen vor mir auftürmen und mir krasse Strömungsverhältnisse zugemutet werden, die mich ans Limit meiner eigenen Kräfte führen; das Wasser trägt, und am Ende des Tages werde ich an den sicheren Strand zurückgetragen.


Albrecht Sautter
Evang.Pfarramt für Polizei und Notfallseelsorge, Waiblingen

albrecht.sautter@elkw.de

 

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